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Was Gamification ist und wie es uns zu besseren Menschen machen soll?

Gamification

Gamification bezeichnet das Anwenden von Spielmechaniken auf alltägliche, ‚langweilige‘ und nicht-Spiele-bezogene Aktionen und Tätigkeiten, um diese attraktiver, angenehmer und effektiver zu machen. Ein Beispiel hierfür ist das Auszeichnen des Mitarbeiters des Monats, als eine Art Gewinner der Spielrunde ‚Februar‘.

Mit dem Mittel der Gamification möchten Arbeitgeber erreichen, dass Sie sich als Mitarbeiter wohler fühlen, mehr Ansporn haben oder einfach nur produktiver sind. Der Einzelhandel nutzt Gamification zur Umsatzsteigerung und Kundenbindung. Mit Rabattprogrammen und Aktionen wie ‚beim 10. Einkauf gibt’s 15% Rabatt‘ oder den in Amerika so beliebten Coupons, werden Kunden spielerisch an das Unternehmen gebunden.

Was genau ist Gamification?

In unserer modernen und schnelllebigen Gesellschaft bedarf es immer neuer Techniken und Anreize, um uns Menschen zu belustigen, motivieren, überzeugen oder anzuspornen. Die Entwicklung unserer Gesellschaft hat viele Entwicklungsstufen in Bezug auf Motivation durchlaufen, ja mehr noch durchlebt. Angefangen bei unseren Vorfahren, deren Motivation das nackte Überleben war. Hinzu kamen Zeiten, in denen Angst und Furcht vor Bestrafung der treibende Motivationsfaktor waren. Auch in den letzten 100 Jahren hat sich noch einmal viel verändert, was uns als Gesellschaft deutlich geprägt hat.

Die technischen Entwicklungen und Möglichkeiten bringen immer mehr Aufregendes, Neues und Interessantes in unseren Tagesablauf. Diese Flut an Inhalten macht es immer aufwendiger, Menschen zu faszinieren, zu begeistern und zu motivieren.

Das Problem der Motivation und Begeisterung findet sich auch bei der Entwicklung von Computerspielen wieder. Den Spieler zu motivieren, eine Aufgabe, eine Mission oder einen Endgegner zu meistern, ist einer der Hauptbestandteile von Spielen. Die Spieleindustrie hat sehr früh damit begonnen, Mechaniken und Systeme zu entwickeln, die den Spieler besonders lange und intensiv an ihre Spiele fesseln sollen. Den Zenit der Gamification in Videospielen erreichte die Branche wohl durch den Tod einiger Dauerspieler.

Tod durch Videospiele – Gamification bis zum Umfallen

Leider hat Gamification nicht nur Sonnenseiten. Der Tod einiger Spieler hat die ‚Kunst‘ der Gamification auf einen Höhepunkt getrieben, den sicherlich keiner je erreichen wollte. Die in diesen Spielen zum Einsatz kommenden Mechaniken und Anreizsysteme sind so effektiv, dass Spieler ihre Umwelt, den eigenen Körper und sonstige Bedürfnisse vernachlässigen. Spielsessions von mehreren Tagen sind dann keine Seltenheiten. Der Ansporn, immer mehr Materialien, Erfolge, Punkte oder In-Game-Geld zu sammeln, kann mit den richtigen bzw. falschen Spielmechaniken zu einer Lebensaufgabe werden.

Diesen 7 Gamification Mechaniken machen dich süchtig und zu einem “besseren Bürger“

In der Spieleindustrie, dem Handel und auch bei Regierungen sind Gamification Prinzipien ein interessantes und mächtiges Werkzeug zur Steuerung. Welche Mittel und Tricks dabei zum Einsatz kommen und welche Praxisbeispiele sich finden lassen, erfahren Sie von uns.

1. „Be Part of something HUGE“ – Wertschätzung und Teamgefühl

Diese Gamification-Mechanik setzt auf den Antriebsfaktor, Teil von etwas Größerem zu sein. Sie als Spieler sollen das Gefühl haben, durch Ihren Beitrag etwas Großartiges bewegen zu können.

Ein eindrucksvolles Beispiel für die Verwendung dieser Mechanik, findet sich in der App „Pain Squad“ der Vereinigung SickKids. Diese App hilft krebskranken Kindern ihre Schmerzen zu überwachen und damit besser umzugehen.
Die Kinder werden zu einem Teil einer Spezialeinheit im Kampf gegen Schmerz. Es wird das „Wir-brauchen-dich-Gefühl“ aufgebaut und den Kindern eine Motivation geboten.

2. Termintreue und Regelmäßigkeit

Eine weiter Gamification Dynamik setzt auf die Motivation durch Belohnung für wiederkehrende Tätigkeiten und Aktion. Bei dieser Mechanik gewinnt man, wenn man in einer definierten Zeit zu einem definierten Punkt zurückkehrt und eine definierte Aktion durchführt.
Das beste Beispiel hierfür ist die gern-genutzte Happy Hour. Hier setzt die Bar auf die Belohnung von Besuchern, wenn sie zu einer gewissen Zeit ihre Bestellungen aufgeben.
Viele beliebte Social Media Games wie Farmville  und Konsorten, setzt diese Mechaniken ein, um Spieler möglichst oft, lange und intensiv an das Spiel zu binden.

3. Einfluss und Status

Die nächste Mechanik von Gamification setzt größtenteils auf sozialen Druck und Ansehen. Spieler können durch indirekten sozialen Druck das Verhalten und die Aktionen anderer Spieler beeinflussen. Ein klassisches Beispiel sind Klassenränge und das Freischalten von Funktionen, Gadgets und Boni. Dadurch dass der Spieler mehr und intensiver spielt, erhält er Möglichkeiten und Mittel um Aufgaben schneller und einfacher zu lösen. Andere Spiele niedrigerer Level streben diese erstmal unerreichbaren Möglichkeiten an. Die Motivation etwas zu tun, um besser oder auch nur spezieller zu sein als andere, ist Grundbestandteil zahlreicher Spiele, Wettkämpfe und auch des beruflichen Lebens. Angefangen im Schulalltag, der die Langzeit-Quest „Lernen“ mit einem guten Abschluss und den Möglichkeiten auf guten Verdienst belohnt. Bis hin zu klassischen Hierarchiestrukturen in Unternehmen, die Engagement und Arbeit oftmals mit Beförderungen, Gehaltserhöhungen oder Sonderprivilegien belohnen.

4. Fortschritt und Vollendung

Fortschritt und Vollendung ist eine Dynamic bei der der Spieler, durch kleine Erfolgsschritte immer weiter angespornt wird. Unterstützt durch die Darstellung der Fortschritte und die einfach-erreichbare, häpchenweise Darstellung.
Jedem ist diese Art der Gamification schon einmal begegnet: Online Plattformen
Beim Einrichten eines Profils werden oftmals Gamification Elemente genutzt, um den Nutzer „bei der Stange“ zu halten. Das Ausfüllen von persönlichen Informationen für ein Social Media Profil kann gerne auch mal länger dauern. Um den User währenddessen nicht zu verlieren, werden Fortschrittsanzeigen und Ziel präsentiert – Das Vollständige Profil. Die Anzeige des Fortschritts hilft dabei enorm weiter.
Nike’s Fitnessband beispielsweise setzt dieses Prinzip zur Motivation seiner Sportler ein. Durch das schrittweise erreichen von Meilensteinen, soll der Sportler motiviert werden immer weiterzumachen und die Lust nicht zu verlieren.

5. „Nur gemeinsam sind wir stark“ – Dynamik

Eine besonders starke Gamification Mechanik setzt auf die gemeinschaftliche Lösung eines Problems. Nur im Team sind gewisse Aufgaben und Herausforderungen lösbar. Das WIR Gefühl sorgt für Motivation und baut gleichzeitig einen gewissen sozialen Druck auf. Bekannte Beispiele für den erfolreichen Einsatz dieser Dynamik ist Kickstarter – Nur gemeinsam ist das Ziel, die erfolgreiche Finanzierung eines Produktes möglich.
Spiele wie GTA 5 und Battlefield setzen diese Spielmechanik seit Jahren in sogenannten Co-Op Spielmodi ein. Hierfür benötigt man als Spieler andere, um die Missionen oder gewisse Inhalte freizuspielen.

6. Digitaler Besitz + Verlustangst

Die Kombination aus digitalen Besitztümern und der Angst, diese auch wieder verlieren zu können, ist ein mächtiges Tool im Werkzeugkasten von Gamification Mechaniken.
Das Suchen und Sammeln von digitalem Besitz motiviert viele Spieler, teils langwierige und schwierige Aufgaben zu erfüllen. Um die Wertschätzung dieser Güter noch weiter zu steigern, werden gerne Dynamik eingebracht, die den Verlust der wertvoll erarbeiteten Güter ermöglichen. Der Verlust der digitalen Besitztümer stellt ein, für den Spieler schmerzvolles Ereignis dar, dass er um jeden Preis verhindern möchte.
Spiele wie DayZ oder auch Escape from Tarkov spielen mit diesem Angst-Motivator sehr ausgiebig.

7. Der Glücksspiel Faktor

Nicht nur Gamer sind fasziniert vom Unvorhersehbaren und der Hoffnung auf Gewinne. Der Mensch an sich ist seit jeher anfällig für Glückspiele. Die Aussicht auf einen Preis, Gewinn oder andere Vorteile, motiviert Menschen Aufgaben zu erfüllen.
Computerspiele setzten dafür oftmals auf eine Mechanik die sich „Lootbox“ nennt. Diese Loot Boxen können verschiedene Arten von Gewinnen enthalten und ihr Inhalt ist nach einem zufälligen Muster bestimmt. Abhängig von der implementierten Spielmechanik, können diese Kisten nur gegen Echtgeld erworben, oder direkt durch Spielerfolge freigeschalten werden.

Ein Beispiel aus der Praxis findet sich in der sogenannten „Speed-Cam-Lottery“. Beim Speed Cam Lotto können Verkehrsteilnehmer gewinnen, wenn sie sich an die vorgeschriebene Maximalgeschwindigkeit halten. Die Blitzanlage funktioniert genauso wie eine herkömmliche Anlage, nur mit dem Unterschied, dass nicht nur zu schnelles Fahren bestraft, sondern auch richtiges Fahren belohnt wird. Jeder der unterhalb der vorgeschriebenen Geschwindigkeit bleibt, nimmt automatisch an der Lotterie teil. Es wird jeden Monat ein Gewinner gezogen und erhält einen Preis. Studien in den Niederlanden haben ergeben, dass sich durch die Einführung 20% weniger Geschwindigkeitsverstöße begangen wurden.

Macht uns Gamification im Alltag zu besseren Menschen, oder macht man uns zu besseren Bürgern?

Der Mensch ansich ist leicht und schnell zu beeinflussen. Die Spieleindustrie nutzt diese Tatsache von Beginn an, um Spieler das machen zu lassen, was die Entwickler sich ausgedacht haben.
Mehr und Mehr Gamification Mechaniken und Elemente tauchen in klassischen Branchen und Berufszweigen auf. Immer mehr Unternehmen setzten auf die spielerische Beeinflussung durch Gamification.

Doch was macht das aus uns?

Was passiert wenn Gamification Dynamiken in das tägliche Leben integriert werden? Werden wir Menschen dadurch zu besseren Menschen, oder versucht man uns vielleicht zu gehorsameren Bürgern, Usern oder Mitarbeitern zu machen?

Welches Ausmaß Gamification annehmen kann und wie eine Regierung ein ganzes Land damit versucht auf Linie zu halten, können Sie hier anhand eines Praxisbeispiels aus China nachlesen.